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" Sexueller Missbrauch: Warum Kinder schweigen

Herausgegeben von tinjo in WORTE ZUM TAG · 14/1/2016 12:05:23

13 Tage hat es gedauert im neuen Jahr, bis zumindest Radio SRF ein Thema wieder aufgreift, das infolge anderer Sensationsthemen so "kläglich vernachlässigt" wurde!


" Sexueller Missbrauch: Warum Kinder schweigen
Die Zahlen sind erschreckend: Sexuelle Gewalt an Kindern ist häufig. Die Gewalttat ist immer mit einem Redeverbot verbunden. Fatalerweise befolgen das die allermeisten Opfer. Sie halten den Mund. Oft jahrelang. Warum nur?"


Ja, warum nur schweigen die Kinder - warum oft bis sie keine Kinder mehr sind?
Diese Frage war schon vor Jahren, ja Jahrzehnten aktuell.
Warum wird auch in dieser Sendung zu dieser Frage nur aufgewärmt, was längst bekannt ist und die wahren Gründe zu diesem langen Schweigen - wenn es überhaupt ein solches gibt - von jenen verschwiegen, die das Schweigen der Kinder in Frage stellen?
Die jeweils für solche Sendungen eingeladenen "Fachleute" bleiben seit eh und jeh eisern bei ihrer stereotypen Meinung, dass jede "pädophile" Handlung mit einem Kind ein höchst traumatisierendes Erlebnis für ein Kind ist, an dem es lange - vielleicht sein Leben lang - leiden wird.  
Die Sendung selbst mag ich gar nicht im Einzelnen kommentieren. Allein schon die Stimme des Chefgurus dieser Fachstelle, die von Deutschland aus sich auch in die Schweiz ausweiten soll, bzw. schon hat, verrät, was er von denjenigen Pädophilen hält, die sich nicht in die Zwangsjacke seiner Ideologie packen lassen.
Würde ein Theologe seinen Glaubensinhalt mit solchem Pathos und solcher Verlogenheit vorstellen wollen, bekäme er bei SRF sicher keine Sendezeit. Auch die übrigen "Fachleute" verkünden ihre Weisheiten mit einer glaubenstreuen Arroganz, dass es schwer fällt, alles anzuhören.
Wenn dieses Thema in den Medien behandellt wird, geht es eben nicht um eine wissenschaftliche Aufklärung, sondern um die steitige Wiederholung und Einhämmerung eines Glaubens-Gundsatzes:

Pädophile sind (potentielle) Kinderschänder.

Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass in solchen Sendungen ein Pathos und eine solche Einseitigkeit von pseudowissenschaftlichen Thesen verkündet werden darf.
Es ist der Ton und die Vorgehensweise, wie man sie aus der Freikirchen- und Sektenmission kennt, aber in seriösen Fachsendungen nicht geduldet werden dürfte. Alle Ausführungen in dieser Sendung sind absolut einseitig und tendenziös und blenden Erkenntnisse von wirklich seriösen Fachleuten einfach aus, d.h. diese werden gar nie zu solchen Sendungen eingeladen.

Ich möchte hier auf "Fünf Gründe für das Schweigen" auf die Cornelia Kazis eingeht, meine eigene Antwort anfügen:


1. Schuldgefühle

Während die Täter ihre Taten in der Regel verleugnen, bagatellisieren oder umdeuten, fühlen sich die allermeisten Opfer sexueller Übergriffe schuld an dem, was war. Und wer erzählt schon freiwillig über etwas, das er vermeintlich verbrochen hat?

Das mag in einem Teil der Fälle zutreffen.
Warum aber fühlen sich die "allermeisten Opfer sexueller Übergriffe schuld an dem, was war."?  Stimmt das überhaupt? Wenn ja, warum ist das so? Ist der "Täter" schuld daran, dass das Kind so denkt? Warum ist das nach so viel Jahren intensivster Aufklärung und Präventionsarbeit immer noch so?


2. Die fehlende Sprache

Vielfach fehlt den betroffenen Kindern noch die Sprache, um auszudrücken, was sie so enorm verwirrt. Das Risikoalter für sexuelle Gewalt liegt nämlich vor der Pubertät.

Fehlt den Kindern wirklich die Sprache, um über etwas zu reden, was sie "so enorm verwirrt." Müsste nicht vielmehr gefragt werden, weshalb ein Kind so lange allein gelassen wird mit verwirrten Gefühlen, dass es erst viel später - wenn überhaupt - darüber sprechen kann?

3. Täterschutz

Viele Kinder reden auch nicht über das was sie innerlich so zerfrisst, weil sie damit verhindern können, dass beispielsweise der Vater ins Gefängnis kommt, dass sie in ein Heim gesteckt werden, dass die Familie auseinanderbricht, oder dass andere davon wissen. Das Schweigen gibt ihnen auch Kontrolle über das Geschehen.

Kinder haben scheinbar keine Sprache um zu sagen, was sie Belastendes erleben, wissen aber genau, was geschieht, wenn sie sprechen. Auch da: Warum gehört zum oben erwähnten Glaubensgrundsatz auch die unausweichliche Praxis, dass es keine Lösung gibt, ohne dass Polizei und  Justiz zum Rechten sorgt?
Könnte das Kind nicht auch schweigen, weil es gar nicht unter dem leidet, was es erlebt?
Zudem: wie kann man dieses Thema überhaupt so pauschal abhandeln, wo doch der Begriff "Kind" 1-16-, ja bis 18-jährige Menschen umfasst?  

4. Todesangst
Nicht selten schweigen Kinder auch unter Todesdrohung. Sie hören: wenn du das erzählst, bringe ich mich um, bringe ich dich um, oder uns alle. Oder dein geliebtes Haustier.

Wer solche Drohungen ausspricht, ist sicher nicht pädophil, sonder ein "Ersatztäter", der das Ausgeliefertsein des Kindes ausnützt.

5. Gefühlsambivalenz

Eine ganz wesentliche Rolle beim Schweigen der betroffenen Mädchen und Jungen spielen ihr eigenen Gefühlsambivalenzen. Sie befinden sich in einem Gefühlsdschungel von Widersprüchen. Auf der einen Seite erlebt das Kind: ich werde ausgenutzt. Andrerseits und gleichzeitig erfährt es: ich werde bevorzugt. Die Gefühle von Kindern können in solchen Situationen äusserst widersprüchlich sein.

Die Gefühle der Kinder  sind widersprüchlich, aber die Reaktion der Erwachsenen darauf meist sehr eindeutig und einseitig: Es werden den Kindern nur solche Gefühle als gut und richtig zugestanden, welche diese Erwachsenen als gut und richtig betrachten.
Solche klaren Haltungen gegenüber Kindern mögen auf vielen Gebieten vernünftig sein, aber wenn es um Pädophilie gibt, welche nur unter oben erwähntem Glaubensgrundsatz zur Sprache kommen darf, wird die Vernunft ausgeschaltet.


Die widersprüchlichen Gefühle, die das Kind erlebt

Ich werde misshandelt                 Ich bekomme besondere Zuwendung
Ich werde erniedrigt                    Ich werde aufgewertet
Ich werde bedroht                        Ich muss andere schützen
Ich bin isoliert                             Ich stehe im Mittelpunkt
Ich muss schweigen                      Ich möchte schreien
Ich mache mit                              Ich möchte mich wehren
Ich bin klein und hilflos                 Ich bin gross und trage Verantwortung
Ich werde verleumdet                   Ich werde verklärt
Ich schütze andere                         Ich brauche Schutz
Ich möchte zerstören                    Ich muss erhalten
Ich erlebe Ekel                              Ich erlebe angenehme Gefühle


Wer hilfreich sein will, muss um diesen Emotionsdschungel wissen. Das ist nicht einfach. Ganz besonders schwierig ist es für Helfende, zu akzeptieren, dass die meisten kindlichen Opfer zu den Ausbeutenden nicht nur in einem Vertrauens-, sondern auch in einem Liebesverhältnis stehen. Sie möchten oft nicht, dass der Vater, der grosse Bruder, der Lehrer für lange hinter Gittern verschwinden, sie wollen nur, dass um alles in der Welt diese Verletzungen, diese Momente der Angst und Verwirrung, diese grauenvolle Form von Isolation und dieses Ausgeliefertsein ein Ende haben.

Die Antwort, die Kazis auf diese Gefühlsverwirrugen gibt, zeigt deutlich auf, wie verwirrt sie selber denkt. Sie unterstellt sich einem Glaubensgrundsatz, aus dem keine wissenschaftlich saubere Antwort erwartet werden kann.


Wann gibt es endlich einmal eine umfassende Aufklärungsveranstaltung zum Thema "Pädophilie", in dem wirklich alle wissenschaftlichen und praxisbezogenen Erkenntnisse von seriösen Fachleuten zur Sprache kommen und wo auch die Betroffenen selbst, die "Pädophilen" sich äussern können. Aber nicht nur diejenigen, die sich in eine Zwangsjacke stecken liessen.
Dass sich dann auch noch betroffene Kinder äussern dürften, aber nicht nur solche die sich als "Opfer" fühlen ist wohl eine allzu utopische Vorstellung...

     


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